Spione, Charismatiker oder Opportunisten? Chinesische Zen-Meister im mittelalterlichen Japan
Frei und autonom; unkonventionell und ikonoklastisch ― so stellt man sich im Allgemeinen einen Zen-Meister vor. Der reiche Fundus an Anekdoten, die von solchen exzentrischen Persönlichkeiten erzählen, redet diesen Zuschreibungen das Wort, und die Rhetorik der Übermittlung des authentischen dharma von Herz zu Herz lässt ihrerseits keinen Raum für ein Tun, das sich nicht einzig und allein am Erwachen orientiert. Andererseits sieht sich der Buddhismus durch seine Geschichte hindurch mit spezifischen Situationen und soziopolitischen Entwicklungen konfrontiert, in denen die Vermittlungstätigkeit seiner Repräsentanten über Gedeih und Verderb der Tradition entscheidet. Die Laufbahnen chinesischer Zen-Meister, die im 13. und 14. Jahrhundert nach Japan kamen, bieten hier reiches Anschauungsmaterial: Sie wurden als Heilsfiguren mit offenen Armen willkommen geheißen oder entgingen nur knapp der Todesstrafe; genossen als Äbte der großen Klosterkomplexe von Kamakura und Kyoto höchstes Ansehen oder wurden an die Peripherie verbannt. Welche Beweggründe sie überhaupt nach Japan gebracht hatten, wie sie dort empfangen wurden, tätig waren und weiterwirkten, beleuchten ihre Schriften und Biographien, die im Rahmen des Vortrags exemplarisch vorgestellt und untersucht werden sollen.
Dr. Steffen Döll ist Wissenschaftlicher Assistent am Japan-Zentrum der Universität München, wo er zur Geschichte des ostasiatischen Buddhismus und der modernen japanischen Philosophie forscht und lehrt. Sein Interesse gilt insbesondere Transferprozessen zwischen China und Japan sowie jenen kulturellen Formen, in denen das Selbstverständnis der buddhistischen Tradition Niederschlag gefunden hat. Im Sommersemester 2013 war Döll Numata-Professor am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg.